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Derek über den Wert von Dingen und StockX als Plattform für den Sekundärmarkt seltener Dinge

Aktualisiert: 28. Okt. 2020

Dieses Interview wollte ich eigentlich zu dem Themenblock 'Wert der Dinge' veröffentlichen, aber leider ist die Kommunikation zwischen Derek und mir abgebrochen. Corona und so. Wenn die Wirtschaft der ganzen Welt zusammenbricht, hat man verständlicherweise andere Prioritäten. Aber besser zu spät als nie, denn was Derek mir an diesem kalten Tag im Januar auf der Fashion Tech erzählte, waren gute Denkanstöße für mein Projekt.


Aber nun zum Thema:


StockX ist ein Marktplatz hauptsächlich für Sneaker, bei dem Käufer und Verkäufer anonym bleiben, ungebrauchte Ware teilweise mit Sammlerwert handeln und diese von StockX verifizieren lassen. StockX macht, was Ebay nicht kann: die Authentizität prüfen und Marktpreise transparent anzeigen. StockX bezeichnet sich selbst als 'die Börse der Dinge'. Wer das Unternehmen nicht kennt, hier geht es zum ausführlichen Firmenprofil.


Derek, kannst du in deinen Worten beschreiben, was StockX macht?


Wir sein ein E-Commerce-Marktplatz. Wir verbinden Käufer und Verkäufer miteinander.


Wissen die Leute, dass ihr ein Marktplatz seid, weil man den Verkäufer ja nie wahrnimmt?


Nein, gut, dass du das so fragst. Die Leute denken an ihre eigenen Erfahrungen mit Marktplätzen und StockX ist anders. Deswegen denken viele, die über StockX kaufen, dass sie bei uns direkt kaufen, da sie die Verkäufer nie sehen. Aber wir kümmern uns nur um die Transaktion, damit das Produkt im Fokus steht und nicht die Person dahinter.


Derek, was ich so interessant an StockX finde, ist, dass ihr die Produkte, die überall verstreut sind, wieder auf einen Punkt zusammenbringt. Und dann verseht ihr sie nicht nur mit einem Preis, sondern auch noch mit einem Diagramm, das den momentanen “Wert” sowie auch alle Wertschwankungen seit dem Marktauftritt eines Produktes zeigt.

Und dann macht ihr den Wert wieder zum Preis auf eurer Plattform?


Ja. Darüber denke ich sogar relativ viel nach. Ich komme eigentlich aus dem Wirtschaftsbereich und habe mit Luxusgütern gearbeitet, der Zusammenhang zwischen Wert und Preis beschäftigt mich permanent. Gerade bei Konsumgütern versuchen Unternehmen, einen Preis, den sie gerne hätten, mit Wert für den Kunden zu füllen. Das gelingt aber nicht immer und manchmal steht dann ein teures Produkt sehr ‘leer’ an Wert in den Regalen und bleibt da sitzen.

Wir bei StockX geben dem Kunden die Macht zurück, den Wert zu bestimmen, und machen das dann zum Preis, ebenso wie auf einem Marktplatz. Der Preis basiert auf dem Wert, den sie bestimmen.


Wie viele Produkte, also Styles, habt ihr gerade gelistet?


Gute Frage. Es müssten so um die 80.000 auf der Plattform sein. Davon liegt bei ca. 25% der derzeitige Preis unter dem UVP.


Und bei wie vielen von denen trifft die Nachfrage auf ein entsprechendes Angebot und es kommt zum Deal?


Naja, bei nahezu allen. Manche sind am Anfang nicht so selten wie andere. Aber mit der Zeit werden die ja auch immer seltener. Aber ja, bei den Artikeln, die wir listen, sind genug auf dem Markt, so dass sie bei uns gehandelt werden können. Es gibt also immer Käufer und Verkäufer dafür.


OK. Aber wie funktioniert es genau? Entscheidet StockX, welches Modell es wert ist, aufgenommen zu werden, oder kann ich als Kunde eins einstellen?


Also auf unserer Webseite kann man Produkte vorschlagen und einreichen. Unser Register gibt es seit 2015. Seitdem haben wir eigentlich jeden Schuh im Portfolio. Wir nehmen auch jetzt noch Senker auf, soweit die Schuhgeschichte zurückgeht. Bei uns gibt’s auch Sneaker von 2000-2015. Wir werden aber nie alle Schuhe auf der Plattform haben. Was wir aber machen ist, Leuten, die einen bestimmten Schuh suchen oder einen bestimmten Schuh anbieten wollen, helfen einzuschätzen, was er wert ist und wo sie damit hinsollen, auch wenn wir die nicht gleich bei uns listen.


Ein Sneaker von 2005, den ich bei euch kaufe, ist ja in neuem Zustand. Aber den sollte ich vielleicht nicht mehr unbedingt anziehen, da er regelrecht zerbröseln könnte. Aber einen Schuh von 2017 könnte ich noch problemlos tragen. Wissen das alle eure Kunden oder passiert es, dass Kunden sich Schuhe kaufen, um sie zu tragen und das dann nicht mehr können, weil es eher Sammelobjekte sind?


Ja, das stimmt. Mit den älteren Modellen muss man den Leuten das tatsächlich erklären, wenn sie sie kaufen. Wenn der Schuh zu lange steht oder auch falsch gelagert wurde und die Luft aus den Luftkissen schon raus ist... Ja, das müssen wir denen erklären und Erwartungen begradigen, damit die Kunden, die diesen Schuh kaufen, wissen, was sie erhalten. Wir prüfen das aber in den Verifizierungszentren.


Wenn du jetzt euer Konzept ansiehst, siehst du es als Marktplatz für Sammelobjekte oder tatsächlich als Plattform, bei der man Sneaker und Streetwear zum täglichen Gebrauch kaufen kann?


Vielleicht ist es beides. Es ist bestimmt beides und auch das in der Mitte. Tragbare Kunst. Ich habe diesen Schuh (er zeigt auf seinen grauen Velours Leder New Balance Sneaker) bei StockX gekauft. Ich habe erst heute morgen das Etikett abgerissen und ihn angezogen. Die Leute entscheiden, was sie damit machen. Ich kaufe meine Schuhe, um sie anzuziehen, andere kaufen sie, um sie in ihr Schuh-Portfolio aufzunehmen und zu sehen, was mit dem Wert passiert. Ich kenne viele Leute, die sich die tollsten Schuhe kaufen und es einfach nicht übers Herz bringen, sie anzuziehen, weil sie sie sich für die Ewigkeit aufbewahren möchten. Um so länger man einen Schuh nicht anzieht, desto weniger gibt es davon und desto teurer wird er. Dann ist er wirklich irgendwann einfach zu teuer, ergo wertvoll, um ihn anzuziehen.


Super, dass du das gesagt hast, denn jetzt sind wir zurück beim Wert. Also wenn du etwas kaufst und es selten, aber begehrt ist, dann zerstört man regelrecht Wert, wenn man es zum ersten Mal trägt, oder?


Ja. Es ist wie mit dem Auto. In dem Moment, in dem du es als Privatperson besitzt, besteht auf einmal auch eine Informations-Inbalance. Dabei geht es gar nicht so sehr um den tatsächlichen Zustand, in dem das Produkt ist, sondern auch um das Wissen über das Produkt. Selbst wenn er nicht getragen ist, kann eine Privatperson den Schuh nicht für das gleiche verkaufen wie bei uns. Das alles geben wir bei StockX wieder dazu. Wir bringen Struktur, Transparenz und Verifizierung. Die Plattform ist vertrauenswürdig, unser Produktwissen ist legitim und unser Prozess fehlerfrei. Dann verstehen die Leute wieder den tatsächlichen Preis und zahlen ihn. 25% aller Produkte bei StockX liegen unter dem Release-Preis. Alle anderen darüber. Sie halten ihren Wert.


Ihr verkauft ja auch andere Produkte, sind die alle Deadstock? (Deadstock sind Produkte, die ungetragen und in der Originalverpackung sind.)


Nein, bei den Uhren sieht man beispielsweise ja oft gar nicht, ob die gebraucht sind. Wir wissen, was unsere Kunden erwarten, wie das Produkt aussehen soll. Ohne Gebrauchsspuren eben. Da ist uns egal, ob es gebraucht ist.

Wirklich gebrauchte Ware, also Secondhand, handeln wir nicht bei uns, wo man Gebrauchsspuren sieht. Käufer bewerten diese immer zu stark und Verkäufer immer zu wenig. In diese Richtung wollen wir nicht. Was wir wirklich in den Fokus setzen, ist, wie wir den primären Markt verändern, die Art, wie Preise gemacht und Werte bestimmt werden. Wir sehen uns nicht im Gebrauchtwarenmarkt.


Kaufst du alle deine Schuhe auf StockX?


Ja, alle, die ich nicht in den Läden bekomme, kaufe ich bei StockX. Ich würde auch nie woanders kaufen, aus Angst vor Fälschungen. Ich bin im ländlichen Kanada aufgewachsen und da wäre ich ohne Sekundärmarkt nie an coole Sneaker gekommen.


Genau, du bist ja aus Kanada, arbeitest für ein amerikanisches Unternehmen und lebst in Europa. Merkt ihr Unterschiede zwischen den Ländern im Kaufverhalten und den Gründen?


Ich bin nun neun Jahre in Europa. Zwei davon war ich in Italien. Und ja, Europa denkt auf einem makorlevel nachhaltiger. Ich meine, ihr habt hier viele verschiedene Länder mit verschiedenen Geschichten, aber man arbeitet zusammen an gleichen Zielen. Ich kann nur sagen, dass wir mit StockX auch die Marken etwas unter Druck setzen. Als Kunde kann ich jetzt eben nicht nur kaufen, was sie gerade in die Läden bringen und künstlich limitieren, ich habe jetzt die Wahl, einen Schuh von 2007 zu kaufen, wenn mir die jetzige Kollektion nicht gefällt. Ich glaube das ist wirklich powerful in unserem Fall. Auch mit unserem IPO-Ansatz: Die Marken können Preise nicht mehr so einfach befehlen. Sie werden bald durch den Markt bestimmt.


Denkst du es ist mittlerweile angesehen, in Second-Hand Läden einzukaufen?


Ja, natürlich. Der Sekundärmarkt hat alles, viel mehr als der primäre Markt. Dort liegt die wahre Auswahl. Manche machen sich vielleicht noch Sorgen oder Gedanken, etwas dort zu kaufen, aber es geht um die Motivation, wieso du etwas kaufst. Wenn du Secondhand kaufst, weil du nachhaltig sein willst, dann mach das. Wenn du Secondhand kaufen willst, weil dir das Produkt am besten gefällt, du aber nicht an Nachhaltigkeit denkst, mach es auch. Ich denke, die Leute sollten mehr Zeit damit verbringen, darüber nachzudenken, warum sie die Dinge wollen, die sie wollen. Und dann konzentrieren wir uns als Unternehmen darauf, die bestmögliche Weise zu finden, es anzubieten. Ich denke, dass die meisten Leute die Plattformen, auf denen sie super Sachen bekommen, die nicht einfach nur Masse sind, noch gar nicht kennen.

Und gerade hier in Europa sind die Secondhand Läden, besonders die Vintage-Läden, so wundervoll. Das Erbe der ganzen Marken kann man da finden. Also in Italien war das gigantisch. Wer will da noch Sachen von der Stange tragen. Ich glaube Secondhand und Vintage wird noch ein ziemliches Revival erleben.


Derek und ich im Januar bei der Fashion Tech

Am Ende habe ich noch schnell ein Foto mit Derek gemacht und ihm brav gedankt. Während des Interviews und nach dem Vortrag ist mir aber auch klar geworden, dass StockX sich in der Zukunft nicht um unsere gebrauchten Sachen kümmern, aber vielleicht einen Einfluß haben wird, wie die Preisfindung bei Unternehmen stattfindet und der Wert der Dinge verstanden wird.


Falls ihr Derek's Vortrag an diesem Tag ganz hören wollt, habe ich euch hier das Video verlinkt. Am besten bei 13:20 Minuten einsteigen, da erklärt er, wie genau StockX dazu gekommen ist, IPOs zu machen. Darum geht es auch um die Tatsache, dass wenn etwas ohne über den Handel an den Kunden direkt geht, bepreist werden muss, der Preis gewählt wird, der es dem Kunden wirklich wert ist. Ab Minute 19:15 findet sich für mich die wichtigste Aussage, die Derek an diesem Tag machte: Der Preis sollte den Wert des Produktes widerspiegeln und nicht das, was eine Marke dafür haben will. StockX glaubt, dass dem Kunden mehr Macht gegeben werden muss, um selbst zu entscheiden, was ihnen das Produkt Wert ist. Sie denken, das führt zu mehr Verantwortung bei den Marken, Produkte zu schaffen, die wirklich von Wert für ihre Kunden sind. Wenn die Marken etwas für 500 Euro an 2000 Leute verkaufen wollen, müssen sie eben etwas produzieren, das 2000 Leuten 500 Euro wert ist und nicht, wenn das Produkt schon in den Läden ist, mit Marketing und Geschichten die Leute von dem Wert überzeugen wollen.


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