Doris Schoger
21. Sept. 20217 Min.
Aktualisiert: 31. Jan. 2023
Update 31.02.2023 Wisemarkt wurde in Stuffle umbenannt.
Christian Wegner hat vor über 17 Jahren momox gegründet und verdiente Millionen mit gebrauchten Büchern. 2019 ist er bei momox ausgestiegen um eine neue Leidenschaft zu finden. Jetzt ist er mit seiner außergewöhnlichen Idee wisemarkt zurück in der Secondhand Branche.
Als ich letztes Jahr meine App konzipiert und gelauncht habe, hatte ich noch nichts von wisemarkt gehört. Erst im April bekam ich mit, dass Christian Wegner an etwas Neuem mit Secondhand arbeitet. Ich habe meinen Namen geduldig auf eine Warteliste gesetzt und war gespannt, was da kommen würde. Ich traute meinen Augen kaum, als ich das erste Mal seine App sah: Sie funktionierte fast genau wie meine! Zwei Gedanken schossen durch meinen Kopf: Mega und Scheiße. Den gleichen Riecher zu haben wie Christian, bestätigt mich. Aber ich hatte auch Recht mit dem anderen Gefühl, seine App funktioniert technisch einfach besser als meine. Da merkt man das höhere Invest, aber vor allem auch die 20 Jahre Erfahrung die Christian mir voraus hat. Umso mehr ein Grund für mich, endlich ein Interview mit Christian Wegner zu führen. Dabei spare ich mir die Fragen, warum er wisemarkt gegründet hat, denn mich interessiert mehr, was genau er da eigentlich austüftelt hat.
Christian Wegner – Bildquelle: Businessinsider
Wisemarkt ist erstmal ein Versuch in den wir uns begeben. Das genaue Geschäftsmodel ist an diesem Punkt noch nicht ganz klar.
Im Moment ist wisemarkt ein Ankaufsservice für alle Gegenstände aus allen möglichen Bereichen, die in eine 120 x 60 x 60cm Box passen. Nur keine Bücher, CDs, DVDs, Games, VHS und ein paar andere Dinge wie Pelze und geöffnete Kosmetik, oder Dinge von Discounter Marken, die schließen wir aus.
Wir haben wisemarkt für Leute gebaut, die Dinge zuhause liegen haben, die sie nicht unbedingt haben möchten, aber keine Zeit und keine Lust haben, sie via Marktplätzen zu verkaufen. Wenn sie also trotzdem nicht ganz leer ausgehen wollen, bieten wir ihnen folgende Vorteile:
100 % kostenlos
Keine Angebotsgebühr. Keine Provision. Keine Versandkosten für Artikel, die man zu uns sendest. Es gibt keine Versandkosten für abgelehnte Artikel, die wir zurücksenden.
Festpreis-Angebot
Unsere Experten bestimmen für jeden angebotenen Artikel den aktuellen Ankaufpreis. Man erhält für jeden Artikel ein Festpreis-Angebot. Man kann entscheiden, ob der Preis für einen selbst ok ist oder nicht.
Viele Kategorien
Wir bieten unseren Service für viele Kategorien: Deko & Wohnen, Uhren & Schmuck, Fashion & Accessoires, Beauty & Gesundheit, Sport & Freizeit, Technik, Spielen & Basteln, Küche & Haushalt, Antiquitäten & Kunst.
Das Wisemarkt Gründungsteam besteht neben mir, aus meiner Freundin Nadja Kahlert, mit der ich in den letzten 20 Jahren neben Momox auch eine Familie aufgebaut habe. Aus Gordon Eckert, er war bei Momox mein erster Angestellter mit dem ich damals die ganze Logistik aufgebaut habe. Aus Oliver Thiemann, ein Ex-ebay Manager, der 20 Jahre Erfahrung mitbringt.
Nein, zumindest keine Fremdinvestoren. Ich bin sozusagen selbst der Investor .
Wie die anderen Firmen- und Markenamen die ich früher hatte, entstand der Name wisemarkt in einem drei-minutigen Brainstorming. Wir wollten es erst im Gegensatz zum Schwarzmarkt, Whitemarkt, bzw. Weißmarkt nennen und fanden das dann doch nicht passend. Aber daraus entstand 'wisemarkt'. Wir wissen, dass unsere Markennamen vielleicht etwas schräg sind, aber dieser Linie bleiben wir gerne treu. Ob ein Konzept funktioniert oder nicht, hat nichts mit dem Markennamen zu tun.
Bei uns kann man eben mega bequem Dinge loswerden.
Nachdem ich meine üblichen Start-Up Profil Fragen endlich losgeworden war, konnte ich dem MAN OF SECONDHAND endlich einige Fragen zur Branche zu stellen. Da momox mittlerweile 17 Jahre alt ist, gilt Christian Wegner als einer DER Vorreiter im ReCommerce Bereich. Ich wollte von ihm wissen, wie er die Entwicklung der letzten Jahre sieht.
Ich glaube tatsächlich, dass sich einige Lücken in der letzten Zeit geschlossen haben. Derzeit sehe ich eher, dass sich viele Händler auf die 10-15% stürzen, die schon Secondhand kaufen. Ich sehe das große Potential in den Leuten, die noch kein Secondhand kaufen. Da sehe ich auch, dass z.B. jemand wie Zalando ReCommerce einen großen Hebel haben kann, neue Kunden zu begeistern. Und ja, alles was zwischen Kleidung und Elektronik, Büchern und Medien ist, wie z.B. ein Topf oder ungeöffnete Kosmetik, da ist noch Potential.
Wir haben bei wisemarkt zu Anfangs mit allem etwas experimentiert, aber sind zur Zeit bei dem Schluss angelangt, Bücher & Medien nicht anzukaufen aber Kleidung anzukaufen.
Da wir noch nicht Unmengen von Produkten haben, lohnt sich ein eigener Shop noch nicht und daher verkaufen wir momentan vor allem via ebay. In nächster Zeit wird aber bestimmt ein eigener Shop kommen und auch anderen Vertriebskanälen sind wir nicht abgeneigt.
Am Ende wird Fast-Deco aus dem ReCommerce genauso rausfliegen wie Fast-Fashion im Kleidungssegment. Bei Ubup haben wir es geschafft einen Secondhand Fashion Shop groß und skalierbar zu machen, der nicht auf High Fashionmarken abzielt, sondern sich im mittleren Preissegment abspielt. Alles was da drunter ist macht keinen Sinn für ReCommerce. Anders wird das mit anderen Kategorien auch nicht aussehen.
Der schöne Effekt daraus ist hoffentlich, dass die Leute keine Fast-Deco mehr kaufen, weil sie den Quatsch nirgends mehr verkauft bekommen. Also ich würde sowas nicht ankaufen.
Derzeit bekommen wir vielleicht 500 Anfragen am Tag, unser Ziel sind ca. 1 Million Anfragen pro Tag. Dann kann man schon besser einschätzen wieviel Fast-Deco da draußen wirklich ist, die wahrscheinlich im Müll landen. Vielleicht noch mit einer oder zwei Nutzungen via Spende oder zu Verschenken, aber ankaufen können wir diese Sachen auch nicht.
Lass mich die Frage so beantworten. Secondhand Waren sind benutzt und man sieht es ihnen auch an. Bei Ubup haben wir am Anfang auch sehr viel abgelehnt, aber das macht auch keinen Sinn, es erst für günstig abzukaufen und dann bei der Qualitätsprüfung doch abzulehnen weil es natürlich Gebrauchsspuren hat. Wir haben dann entschieden, Dinge mit leichten Gebrauchsspuren zu akzeptieren. In einem Test haben wir rausgefunden, dass die meisten Kunden damit auch kein Problem haben, weil sie ja wissen, dass sie Secondhand kaufen. Ich denke die Hälfte aller Produkte am Markt, die noch nicht für die Tonne sind, sind aber grenzwertig für den Wiederverkauf. Das Beste wäre, dass die Besitzer diese Sachen selbst aufbrauchen.
Aber ja meine Erfahrung sagen, dass ca. 40% ihre Sachen unachtsam behandeln und auch zu uns senden und ca. 60% ihre Sachen sehr sorgsam zusammengelegt und sogar gewaschen zu uns senden. Nach meinen Erfahrungen, sind wir in Deutschland da im Europäischen Schnitt schon sorgsamer als andere Nationen.
Zalando und andere nennen das Segment ja Pre-Owned und gewöhnen den Kunden daran, dass Secondhand Ware wie neu aussieht. Das ist aber nicht der Fall. Und ich frage mich, ob das gut ist, Kunden zu suggerieren, das Secondhand neuwertig sein muss. Ich weiß nicht ob das eine gute Sache ist für den Secondhand Markt insgesamt.
Generell würde ich schon sagen, dass die Branche mehr Spezialisten auf den Markt lockt, deswegen ist es umso wichtiger, dass jetzt die ersten Generalisten im Ankauf auch in den Markt eintreten. Das ist eine ganz neue Herausforderung. Für den Kunden ist es hingegen einfacher. Welche Preise man ihm als Generalist bieten kann, muss man jetzt eben herausfinden und hängt sehr vom eigenen System, welches man aufbaut, ab. Im Verkauf glaube ich an den Ansatz der Spezialisten.
Viele Unternehmen scheinen mit Secondhand jetzt anzufangen weil es zeitgemäß ist. Wie ernst sie das Ganze meinen, wird man wahrscheinlich erst in 10 Jahren sehen. Viele machen es jetzt als Nice to Have, ohne ein profitables Geschäftsmodel dahinter zu haben. Das leistet man sich nicht auf Dauer und dann wird es nicht wachsen und skalierbar sein.
Man darf von einer Vision, denke ich, noch kein zu genaues Bild haben, denn wie wir dahinkommen und wie das genau aussieht, gilt es ja jetzt herauszufinden. Deswegen haben wir auch das 'Produkt' von wisemarkt noch nicht genau definiert und sind auch bei unserer Mission noch flexibel. Wir sind von vielen Faktoren abhängig, da ist es einfach ratsam flexibel zu bleiben.
Aber grundsätzlich hoffe ich, dass Secondhand sich mehr ins Offline verlagert, also in die ehemaligen Neuwarenkaufhäuser. Es muss clean und schön präsentiert werden und dann kann es klappen. Oft erkennt der Kunde nicht einmal den Unterschied zwischen gebraucht und neu.
Ich bedanke mich vielmals bei Christian Wegner für seine Zeit und die Offenheit mir diese Fragen zu beantworten. Er ist momentan der Einzige, neben mir, der sich als Generalist positioniert. Ob das unsere Chance