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Zalandos Secondhand-Event Tour – was steckt dahinter, Nachhaltigkeit oder Selbstzweck?

Aktualisiert: 6. Nov. 2021


Es fällt mir wirklich nicht leicht über meinen ehemaligen Arbeitgeber zu schreiben. Erstens, weil ich dort am Anfang meiner Karriere wertvolle Erfahrungen gemacht und per se nichts gegen Zalando habe. Zweitens, gehört es sich eigentlich nicht über den alten Arbeitgeber zu schreiben.


Trotzdem muss ich mich in meiner neuen Rolle und mit meinem Blog zu Wort melden, denn vor ein paar Tagen hat Europas führende Onlineplattform für Mode und Lifestyle, Zalando, per Pressemitteilung verkündet, dass sie in 40 Städten Secondhand Sales-Events veranstalten werden. Ich habe mir das natürlich genauer angeschaut und habe auch eine starke Meinung dazu.

Für diesen Artikel musste ich recherchieren, insbesondere weil ich verstehen wollte was Zalando antreibt. Dabei bin ich auf Interessantes gestoßen, das ich gerne mit euch teilen möchte. An dieser Stelle möchte ich aber auch sagen, dass ich bei meiner Internetrecherche eins und eins zusammenzählen musste und ich für meine Aussagen keine sicheren Quellen habe. Ich habe bei Zalando um ein Interview gebeten um meine Aussagen zu verifizieren und habe meine Fragen schriftlich eingereicht. Leider wurde mir aber mitgeteilt, dass man meine Anfrage nicht wie eine "normale" Presseanfrage behandeln könne, da Rebound Stuff nicht nur ein Blog, sondern auch ein eigener Onlineshop für Secondhandfashion ist, was mich leider zur direkten Konkurrenz für das Pre-owned Angebot macht.



Was Zalando macht (nüchtern beschrieben):


Der Ankauf

Durch die Zalando Zircle App hat man Zugriff auf die Ankaufsfunktion bei Zalando und den eignen Zalando Marktplatz. Bei der Ankaufsfunktion 'Flatsale' handelt es sich um das Modell der Inzahlungnahme. Statt Barauszahlung wie bei Momox Fashion, gibt es bei Zalando einen Gutschein. Man macht ein Foto des Artikel und ein paar wenige Angaben dazu, dann packt man es in die Verkaufsbox. Daraufhin erhält man ein Label und sendet den Artikel an Zalando. Nach der Qualitätsprüfung erhält man die Ankaufssumme als Gutschein für Zalando.


Der Verkauf

Bis vor kurzem dachte ich, wie die meisten, Zalando verkauft die angekauften Styles nur via Zalando Zircle und in der Pre-Owned Kategorie auf Zalando. Doch da geht noch mehr: Zalando setzt auf mindestens drei Verkaufskanäle:


1. Auf Zalando Pre-Owned und Zalando Zircle. Allerdings ist das Angebot auf den beiden Plattformen nicht identisch. Für die Marke '& other Stories' fand ich z.B. bei Zalando Pre-Owned 248 Styles und bei Zircle 824 Styles. Ich konnte keinen identischen Style finden. Das hat mich gewundert, denn dann müsste Zalando ja ne Menge Kunden dazu bewegen, nur auf Zircle zu schoppen. Dort gibt es über 300.000 Styles und der Abverkauf auf so einer Plattform ist nicht einfach.

ABER, der Zalando Zircle Shop ist wohl auf Basis von Shopify gebaut, was einen großen Vorteil hat: man kann alle Produkte ganz leicht auf eBay spiegeln. Und genau das tut Zalando.


2. Auf ebay. Ja, ihr habt richtig gelesen. Von wem ich das weiß? Von Niemandem. Ich bin eher zufällig auf einen ebay Shop gestoßen, der zu Zalando gehört. Mir sind nämlich folgenden Dinge aufgefallen, als ich über den ebay Shop Re:Imagine Schuhe kaufen wollte:

  • Re:Imagine war einmal eine Zalando Eigenmarke und noch heute findet man deren alten Banner dort online

  • Die Markenrechte an der Marke Re:Imagine gehören nach wie vor Zalando

  • Die E-Mailadresse im Impressum des Re:Imagine ebay Shops wechselte von service@zircle.de vor ca. 3 Wochen zu service@reimagine-fashion.de.

  • Die Domain reimagine-fashion.de gibt es nicht

  • Dr. Torben Hansen ist VP von Zalando ReCommerce und auch Geschäftsführer der Fashion Circle GmbH, die im Impressum des eBay Shops Re:Imagine steht

  • Die Fashion Circle GmbH wurde 2019 von Zalando gegründet

Dank dieses Schuhs, bin ich über den ebay Shop Re:Imagine gestolpert. Den selben Schuh habe ich auch bei Zalando Zircle entdeckt. Letztendlich habe ich ihn über den eBay Shop bestellt, um zu sehen in welcher Verpackung und von welchem Versender er bei mir ankommt. Er kam ganz ohne Werbung und Branding an, ungewohnt leise für Zalando. Also habe ich nochmal bestellt, diesmal zwei Kleidungsstücke. Beide Styles gab es auf Zircle.de und auch bei Re:Imagine. In beiden Shops das identische Foto. Also habe ich je einen Style in jede Shop gekauft.


Bei dem linken Paket von Zalando habe ich kostenlosen Versand und Rückversand, sowie ein 100 tägiges Rückgaberecht. Bei dem rechten Paket von Re:Imagine habe ich kostenlosen Versand, keinen Rückversand und nur ein 60 tägiges Rückgaberecht. Hier nochmal ein & other Stories Pulli bei Re:Image und bei Zircle.


3. Auf Events verkaufen! Letzte Woche gab Zalando per Pressemitteilung bekannt, dass die Pre-owned Kategorie in 40 Städte auf Deutschlandtour geht. Bei den Events wird Secondhand Mode zwischen 2€ und 12€ verkauft. Alles für Damen und Herren von Größe XXS bis ganz Groß. Dazu gibt es eine Fotobox und ausgewählte Highlight Produkte. Die Zircle-Tour startete schon letzten Samstag, den 4. September in Dresden, Darmstadt, Braunschweig. Wöchentlich werden neue Termine bekannt gegeben (Hier findet ihr die feststehenden Termine). Das Konzept kennen wir bereits von vinokilo.



Warum ärgert es mich, dass Zalando 50 Millionen Kleidungstücken ein längeres Leben schenken will?


Zalando hat sich zum Ziel gesetzt, den Lebenszyklus von 50 Millionen Kleidungsstücken zu verlängern Und setzt dafür auf den Ankauf und Wiederverkauf von Kleidung. Wenn ein so großer Player, wie Zalando in ein Segment einsteigt hat das Folgen. Meiner Meinung passieren dadurch drei Dinge:


  1. Sie verzerren den Ankaufswert der Kleidungsstücke mit Gutscheinen statt Eurowerten

  2. Sie nehmen gemeinnützigen Kleidersammlungen durch Cherry Picking die Substanz weg

  3. Sie treiben das Preisdumping für Secondhandkleidung weiter an


1. Bei Zircle im Ankauf gibt es für ein gutes Zara Shirt noch 1.44 Euro. Das ist wirklich viel, da es auf dem Sekundärmarkt im Wiederverkauf maximal noch 5 Euro wert ist. 5 Euro, die sonst vielleicht noch ein kleiner Laden damit verdient hätte, der das Shirt gespendet bekommen hätte. Für Zalando ist aber ein 1.44 Euro Rabatt als Gutschein für ein Paar neue Sneaker die 90 Euro kosten, nicht viel. In einem Interview mit Frederik Flieg sagt der VP of ReCommerce von Zalando, Dr. Torben Hansen, selbst, dass die Inzahlungnahme eher als Service für den Kunden gedacht ist, anstatt als gewinnbringendes eigenes Geschäftsmodell. Damit will Zalando Kleidung retten und den Kunden besser kennenlernen.

Man könnte daraus auch schließen, es handelt sich hier viel mehr um ein günstiges Marketing Tool zur Kundenbindung und Datengewinnung, welches in Kauf nimmt, den Ankaufswert von Kleidung im ReCommerce zu verzerren.


2. In Deutschland haben wir ein (noch) funktionierenden Altkleidersystem, bei dem die Mehrzahl von Kleidung durch Sammlungen und Abgabestellen zurückgeholt wird. Wie auch andere ReCommerce Unternehmen, begeht Zalando Cherry Picking zu Lasten anderer Organisationen. Sie ‘kaufen’ gezielt defektfreie Kleidungsstücke an, die den Organisationen, die sich über Kleidersammlungen finanzieren, im System fehlen. Diese Sammelsysteme, kümmern sich mit dem Gewinn des Wiederverkaufs der einwandfreien Kleidungsstücke auch um die Entsorgung oder die Verwertung von defekter Kleidung. Viele Altkleidersammler beobachten seit Jahren eine stetig schlechter werdende Qualität. Nicht nur wegen dem steigenden Anteil von Fast Fashion in den Sammlungen, sondern auch durch die verringerte Mengen an qualitativen und einwandfreien Textilien, die durch den Eintritt der ReCommerce Unternehmen den Sammlungen entzogen werden. Die Kleidung die Zalando ‘ankauft’ wäre wohl durch die Kleidersammlung und -sortierung auch wieder in Verwendung gekommen.

Man könnte daraus auch schließen, Zalando greift die Grundlage der Altkleidersammler an, nicht um Kleider zu retten, sondern um mit Gutscheinen mehr neue Kleidung zu verkaufen.


3. Zalando muss Absatzwege finden, für die Mengen an Kleidung die sie in Zahlung genommen haben. Online (ihre eigentliche Heimat) lohnt sich der Verkauf, nach meinen Erfahrungen, nur für Kleidungsstücke die mindestens mehr als 15 Euro wert sind. Das ist ein Zara T-Shirt aber nicht mehr wert. Was also tun mit den Sachen die weniger wert sind? Dies Frage stellt sich wohl auch Zalando.

PR technisch oder auch rechtlich kann Zalando die Kleidung wohl kaum vernichten oder im Bulk ins Ausland verkaufen. Und jemand im Inland nimmt ihnen diese Artikel und Mengen kaum ab. So entstand vielleicht auch die Idee, neben dem Online Shop und dem eBay Shop auf Verkaufsevents zu setzen. Dort wird sehr wahrscheinlich das verkauft, was sich für den Onlineverkauf nicht lohnt. Den Offline Verkauf hatte Zalando schon im Sommer 2019 getestet und erste Erfahrungen gemacht, was man dort verkaufen kann. Am Besten alle Artikel für 2-12 Euro. Neben dem Abverkauf haben die Events noch einen Vorteil für Zalando: die Kunden, die auf den Events kaufen, füllen ihre Schränke wieder. Die Kleidung können sie problemlos gleich wieder bei Zalando in Zahlung geben.

Man könnte daraus also auch schließen, dass Zalando das Secondhand Preis Dumping antreibt. Durch die Events bringt Zalando Secondhand Kleidung mit niedrigen Preisen in die Städte und macht so allen lokalen Shops und den karitativen Läden, die im gleichen Preissegment Secondhand verkaufen, Konkurrenz.


Diese drei Dinge macht Zalando, ohne dahinter derzeit ein wirklich funktionierendes Geschäftsmodell zu sehen. Die Kosten hinter den Ankaufs- und Verkaufsbemühungen schlucken sehr wahrscheinlich mehr Geld als damit verdient wird.



Also was ist die Motivation von Zalando hinter Zircle?


Ohne Zalando Dinge unterstellen zu wollen, drängen sich hier folgende Aspekte auf: Für die PR eines solchen Mode-Riesen und des baldigen DAX Mitglieds klingt es phantastisch, wenn man sagen kann bis 2023 für 50 Millionen Modeprodukte den Lebenszyklus verlängert zu haben. In Geschäftsberichten klingt es gut, dadurch weitere Kunden gebunden zu haben und per APP zusätzliche Käuferdaten generiert zu haben. Gleichzeitig hat man sich in einem neuen Marktsegment behauptet und es (kleineren) Konkurrenten erschwert sich im Markt zu halten.

Das kann man sich schon ein paar Euro kosten lassen. Ziel bleibt sicher herauszufinden wie man langfristig damit Geld verdienen kann, denn eins ist sicher, Modeunternehmen nehmen sich nachhaltigeren Geschäftsmodellen nicht nur aus Goodwill an, sondern um zukunftsfähig zu bleiben. In einem Interview mit der Finacial Times sagte Zalando Geschäftsführer Schneider selbst "Fashion groups must embrace sustainability to survive".



Kann ich in Zalandos Bemühungen gar nichts Positives sehen?


Ein Argument, welches ich immer höre, ist: Aber es ist doch gut, wenn die großen Unternehmen jetzt auch in den Secondhandmarkt einsteigen, sie können helfen das System zu professionalisieren und haben einen größeren Hebel etwas zu verändern.


Dieses Argument hat mich in den letzten Jahren selbst immer weniger überzeugt.

Zalando schadet nicht nur der Branche der gemeinnützigen Altkleidersammler und den karitativen Läden, sondern heizt unser Kaufverhalten durch das Ausgeben von Gutscheinen noch weiter an. ReComemrce Unternehmen wie Momox Fashion, haben das Geschäftsmodell als Start-Up von Anfang an richtig aufgezogen. Zwar machen auch sie Cherry Picking, aber sie kalkulieren reelle Werte als Ankaufspreise, zahlen Bargeld aus und begehen kein Preisdumping beim Verkauf. Sie stehen offen dazu, dass sie einen der größten eBay Shops in Europa haben und machen damit Millionenumsätze im Bekleidungssegment. Es braucht meiner Meinung nach keine großen Player die endlich irgendwie auf den Nachhaltigkeitszug aufspringen, sondern kleine Player die es richtig machen und dann schnell wachsen.


Also nein, ich glaube nicht, dass die großen Unternehmen sich darum kümmern müssen das Problem, welches sie stetig mit kreieren, auch zu lösen. Nicht wenn weiterhin ihr Kerngeschäft die Steigerung des Abverkaufs von Neuware ist. Zalando hat nicht nur die 100 Tage Umtauschrecht in die E-Commerce Branche gebracht sondern auch kostenlosen Versand und Rückversand zur Erwartung bei Kund:innen gemacht, unter der viele kleine Shops leiden. Ich glaube nicht, dass ein Unternehmen seinen Charakter ändern kann. Beziehungsweise glaube ich nicht dass wir die Zeit haben, die es bräuchte um das zu schaffen. Das ginge wohl zu langsam. Zalando ist bald im Dax und hat damit den Hauptzweck, den maximalen Gewinn für die Aktionäre zu erwirtschaften und mit dem ReCommerce Segment geht dies voraussichtlich noch jahrelang nicht.



Wie geht es wohl weiter?


Da Zalando gerade jemanden im ReCommerce Bereich sucht, der sich in den Kategorien Beauty, Elektronik und Toys auskennt, schlage ich auch anderen Branchen vor, sich in Acht zu nehmen und blicke mit Sorge auf einen Rebound Stuff Shop.


Was denkt ihr? Schreibt es gerne in die Kommentare.









Zusatz: An dieser Stelle ist es mir aber wichtig zu schreiben, dass ich keineswegs anzweifle, dass die Angestellten die intern an dem Projekt arbeiten, sich wirklich für nachhaltigeren Wandel einsetzten. Wahrscheinlich würden sie auch lieber in einem (anderen) Unternehmen arbeiten, dass andere Werte statt Wachstum vertritt. Aber davon gibt es einfach noch zu wenige, als dass wir alle für Unternehmen wie Wildling Schuhe, Armedangels oder Vaude arbeiten können. In Berlin jedenfalls gibt es wenig Alternativen.


Quelle:




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