top of page
Suche

Der Wert von Arbeit im Sekundärmarkt

Aktualisiert: 27. Okt. 2020


Diese Woche habe ich das Interview mit Sophia veröffentlicht, in welchem wir zu dem Wert von handgestrickten Pullovern reden und wie man dafür einen Preis festlegen kann.

(Hier könnt ihr das Interview lesen).


Wenn etwas produziert wird, fließt, neben den materiellen Ressourcen auch Arbeit als ‚Wert‘ in das Produkt ein. Ähnlich wie das Markenlogo (ideologischer Wert) und die Materialien (Materialwert), hat auch die Arbeit ihren eigenen Wert der innerhalb eines Produktes benannt werden kann.


Um den Wert für Arbeit festzulegen, gibt es unterschiedliche Ansätze. Alle gemeinsam haben sie, dass sie den Wert mehr oder weniger mit dem Zeitaufwand bemessen. Der Zeitaufwand ist an einen Lohn geknüpft, welcher mit der Produktivität verknüpft ist. So schreibt Prof. Dr. Manfred J. M. Neumann:


"Nach einer alten Lohnregel ist das Ziel einer stabilen Entwicklung der Volkswirtschaft, dass die Löhne mit der Arbeitsproduktivität steigen, nicht stärker, aber auch nicht geringer."

Auch wenn es viele verschiedene Arbeiten gibt, schaue ich mir in diesem Artikel nur Lohnarbeit an. Häusliche, fürsorgliche oder karitative Arbeit, die zwar nicht bezahlt wird, aber einen ganz anderen Wert für die Gesellschaft hat, thematisiere ich hier nicht.


Zwei Kategorien der Lohnarbeit


I.- Arbeitsfelder ohne Produktionssteigerung

(Friseure z.B. - bis heute gibt es keine Automatisierung beim Haarschneidern. Es dauert genauso lange wie vor 100 Jahren jemandem die Haare zu schneiden). Dabei unterscheidet man lediglich Tätigkeiten, die höhere Bildung erfordern und höher entlohnt werden und Tätigkeiten, für die eine niedrige Bildung ausreicht und dementsprechend niedriger entlohnt werden. Dabei wiederum werden die Besten einer Branche branchen-untypisch hoch und die schlechtesten branchen-untypisch niedrig, entlohnt. Viele Länder definieren daher einen Mindestlohn, der das Existenzminimum absichern soll.


2.- Arbeitsfelder mit Produktionssteigerung

(Schneiderin z.B. - in den letzten Jahrzehnten kam es hier zu einer starken Automatisierung und Spezialisierung der einzelnen Arbeitsschritte, die zu einer enormen Steigerung der Produktivität geführt haben). Diese Arbeit ist bei uns in Deutschland so gut wie verschwunden, da sie entweder automatisiert wurde oder ins Ausland verlagert worden ist, wo sie mit günstigen Löhnen erledigt wird.


Während Arbeit der Kategorie 1. oft Dienstleistungen ist, ist Arbeit der Kategorie 2 oft in der Produktion von Gütern beherbert. Löhne der Arbeit aus der ersten Kategorie, wurden an die Produktionssteigerung des Landes angeglichen, welche aus der Produktivitätssteigerungen der zweiten Kategorie erfolgte. Also der Lohn einer Friseurin stieg auf das lohnniveau einer Facharbeiterin in einem Produktionsbetrieb.


Folgendes Beispiel habe ich herausgesucht, da jeder von uns Kleidung trägt und eine Relation dazu hat. 2004 gab es eine Kampagne ‘beyond fashion’ von der Global Fashion Agenda, die uns in dem Kontext der Textilwirtschaft zeigen wollte, wie wenig uns ‘Arbeit’ an der Produktion von Kleidung wert ist.






Liegt der Wert der Arbeit nur im Lohn?


Ulrike Meyer-Timpe schreibt in der Zeit:

Die Arbeit steht im Zentrum unseres Lebens. Nicht nur, weil sie Geld bringt: Sie stiftet Sinn und Identität. Durch sie dürfen wir uns als nützliche Mitglieder der Gesellschaft fühlen. Wir brauchen sie, um glücklich zu sein – und sei es auch nur als Kontrast zur Freizeit, die wir ohne diesen Gegenpol nicht genießen könnten.

Nun gibt es vermehrt Betriebe und Unternehmen, die mit ihrer Arbeit und Produkten auch wieder einen Sinn und Identität stiften wollen. Sie besinnen sich zurück auf traditionelle Herstellungsprozesse, ganz ohne Automatisierung und lassen den Wert ihrer Arbeit wieder verstärkt in den Wert des Produktes mit einfließen.


Es gibt immer mehr Unternehmen die dieses alte Paradigma, für manuelle Arbeit so gut wie nichts zu bezahlen, ignoriert und die in ihren Produkten den Wert also Preis mit fairen Löhnen für die Arbeit berechnen.

Solche Betriebe machen Handwerkskunst, nennen sich Manufakturen und versuchen einen Preis für ihre Produkte zu finden, der von der Gesellschaft bezahlbar und akzeptiert wird. So findet man in Berlin-Prenzlauerberg ein Brotlaib für 5 Euro, das dafür aber wieder vom Bäcker in alter Tradition langsam gebacken wird. Der Goldschmied, der Vorort seine Werkstatt hat, das Berliner Label, das im Hinterzimmer wieder näht.

Aber es muss eben auch im Rahmen bleiben. Der Wert der Arbeit wird vom Kunden dadurch bestimmt, was er bereit ist für das “extra” an Wissen, Kreativität, Tradition, Geschmack und vor allen Dingen für Handarbeit, zu bezahlen.


Hier ein Beispiel. Dieses ‘Schmuckstück’ Kostet 529 Euro, dabei ist der Materialwert (Nylon-Faden) und der Wert der Marke eher gering. Das Produkt berechnet sich fast ausschließlich durch den Wert der (Hand-)Arbeit und erhält seine Begehrlichkeit durch die Kreativität und das Können der Arbeiterin.


Etwas so Aufwendiges und Besonderes herzustellen kostet Zeit und viel Arbeit und resultiert nicht selten in einem Einzelstück. Wie Möbel vom Schreiner, Ringe vom Goldschmied, Kleider vom Designer/Schneider.


Zurück zu Sophias Stricklabel


Daher ist Sophias Strick Projekt, bei dem sie selbstgestrickte Pullover verkauft, sehr spannend für diesen Artikel! Gerade weil sie versucht, etwas auf dem Sekundärmarkt zu verkaufen, das den größten Teil seines Wertes aus der manuellen Arbeit zieht. Es ist sehr zeitintensiv einen Pullover mit der Hand zu stricken, daher ist Stricken schon lange automatisiert und/oder größtenteils in Länder mit billigeren Löhnen verlegt worden.

Sagen wir eine Strickerin strickt an einem Pullover 40 Stunden. Der Mindestlohn bei uns in Deutschland beträgt 9,50 Euro, was wie wir oben gelernt haben, an die nationale Produktivität des Landes gekoppelt ist. Ohne Materialkosten und Marketingkosten, also allein für die Arbeit, würden so schon 380 Euro anfallen. Das ist nicht wirklich konkurrenzfähig mit einem automatisiert gestrickten Pullover. Und es würde wohl kaum jemand einen Pullover für 450 Euro kaufen, wenn nicht der Designer persönlich ihn gestrickt hat. Und deswegen sieht man bei uns auch keine handgestrickten Pullover deren Preis derzeit so berechnet wird.

Wenn jemand einen Pullover selbst strickt, setzt sich der Wert der Arbeit nur teilweise aus dem “Arbeitslohn” zusammen. Ein anderer Teil der Arbeit ist unentgeltliche Arbeit und wird belohnt mit Dingen, wie Anerkennung, Dankbarkeit, Notwendigkeit oder/und Gefallen an der Tätigkeit selbst.


Was für eine Wert hat nun Arbeit für den Sekundärmarkt?


Solche Einzelstücke lassen sich besser auf dem Sekundärmarkt verkaufen, wenn ihr Material einen hohen Wert hat (Materialwert), oder der Hersteller sich einen Namen gemacht hat, also seine Marke einen Wert hat. Nur wegen des Werts der Arbeit alleine, ist es schwer einen ‘fairen’ Preis zu erzielen.

Omas selbstgestrickter Pullover oder Opas geschreinerter Tisch verkauft sich eher durch das Material als durch ihre Namen und die Arbeit die sie hineingesteckt haben.


Quellen:

bottom of page